Bildquelle: TH Nürnberg

Pumpensysteme haben weltweit einen großen Anteil am industriellen Energieverbrauch. Mit einem neuen Forschungsansatz zur Entwicklung von optimierter Automationstechnik in Pumpensystemen bereitet die TH Nürnberg die Vorbedingungen für substanzielle Energieeinsparungen. Die Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Ronald Schmidt-Vollus zielt ab Januar 2017 im Forschungsprojekt „Datenbasierte Automatisierungs- und Antriebstechnik für effiziente Pumpensysteme“ auf die Zusammenführung neuer Technologien aus Prozesstechnik, Antriebstechnik sowie Steuerungs- und Regelungstechnik. Die Zielgruppen sind Unternehmen, aber auch Dienstleister wie kommunale Wasserversorger, die mit verbesserten Pumpensystemen ihre Preise trotz steigender Kosten stabil halten können. Der Europäische Fonds für Regionale Entwicklung EFRE fördert das Projekt über drei Jahre mit rund 1,1 Mio. Euro.

Pumpensysteme verbrauchen in Industrieländern etwa 20% der insgesamt bereitgestellten Energie. „Zwei Drittel des Energiebedarfs in der Industrie entfallen auf elektrische Antriebe, davon wiederum ein Drittel auf Pumpenantriebe“, erläutert Prof. Dr. Ronald Schmidt-Vollus, Leiter des Kompetenzzentrums Automatisierungstechnik am Nuremberg Campus of Technology (NCT) der TH Nürnberg. In Unternehmen der Nahrungs- und Genussmittelindustrie oder der chemischen Industrie, aber auch bei kommunalen Wasserversorgern sind Pumpensysteme das Herz der Produktionsanlagen. „Die Automatisierungstechnik bietet die Möglichkeit, einen signifikanten Teil dieser großen Energiemenge einzusparen, ohne die Anlagentopologie selbst zu ändern. Je nach Prognosemodell wären Stromeinsparungen von bis zu 33,6 Petajoule pro Jahr alleine für industrielle Pumpensysteme in Deutschland möglich. Das sind über 9 Milliarden Kilowattstunden“, so Prof. Dr. Schmidt-Vollus.

Im Standardbetrieb der Pumpen am Stromnetz werden üblicherweise entweder der Druck oder der Durchfluss gemessen. Für einen optimierten Betrieb am Bestpunkt des Pumpensystems, dem Betriebszustand mit dem geringsten Energiebedarf, werden darüber hinausgehende Informationen über den aktuellen Systemzustand benötigt. Dazu ist der Einsatz eines Frequenzumrichters empfehlenswert. Die Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Schmidt-Vollus verfolgt eine Doppelstrategie zur Steigerung des Wirkungsgrads eines Pumpensystems: Einzelne Komponenten eines Pumpensystems wie Regelung, Antrieb oder Steuerung werden energetisch optimiert. In einem zweiten Konzept arbeitet das Forschungsteam an der umfassenden Überwachung und Vernetzung der einzelnen Komponenten im Antriebs- und Regelungssystem – der Schritt zur Industrie 4.0.
Adaptive Steuerungsalgorithmen regeln die Kommunikation zwischen den Komponenten und stellen dadurch eine besonders verbrauchsarme und energieeffiziente Betriebsweise sicher. Dabei werden Änderungen im System wie Temperaturschwankungen oder wechselnde Betriebszustände berücksichtigt, die bisher nicht in die Berechnungen eingeflossen sind.
Prof. Dr. Ronald Schmidt-Vollus fasst zusammen: „Unser Ziel ist es, den Betriebszustand eines Pumpensystems exakt definieren zu können und dazu passgenaue, aufeinander abgestimmte Steuerungs- und Regelungssysteme zu entwickeln. Geplant ist, dass diese über ein Baukastensystem interessierten Anwendern zur Verfügung gestellt werden.“

Der Präsident der TH Nürnberg, Prof. Dr. Michael Braun: „Dieses innovative Forschungsprojekt der TH Nürnberg bietet mit seiner hohen Anwendungsorientierung die Chance zu einem zukunftsweisenden Transfer von Forschungsleistung in die Wirtschaft. Die Automatisierungs-technik ist eine der entscheidenden Schlüsseltechnologien für den Industrie- und Dienstleistungs-standort Nordbayern. Aus diesem Grund sind Automation und Produktionstechnik Teil unserer strategischen Leitthemen an der TH Nürnberg. Der Fokus des Projekts liegt auf Schnittstellen mit beispielsweise kommunalen und nicht-kommunalen Versorgungsunternehmen wie Wasserwerken sowie mit Unternehmen in der Systemintegration, Automatisierungstechnik oder Wartung und Service. Durch die enge Zusammenarbeit der TH Nürnberg mit kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) aus der Region profitieren die Firmen und Dienstleister sehr schnell von unseren Forschungsergebnissen.“

Prof. Dr. Ronald Schmidt-Vollus und sein Team kooperieren mit rund 30 Firmen aus Franken und der Oberpfalz – vom Anlagenbauer über Hersteller für Pumpen- und Regelungstechnik bis hin zum Anbieter von IT-Systemen. Sie erfahren Impulse zum Ausbau ihrer Geschäftsfelder und der Erschließung neuer Dienstleistungs- und Geschäftsmodelle sowie zur Vernetzung mit ihren Kunden. Dr. Georg Möller vom Institut für leistungselektronische Systeme der TH Nürnberg ELSYS erläutert: „Wir möchten unsere Kooperationspartner in die Lage versetzen, ihre Angebote optimieren zu können. Dabei setzen wir vor allem auf datenbasierte Services und retrofitte Systeme, weniger auf den Austausch von Bauteilen. Das ermöglicht den Betreibern, mit geringem finanziellen Aufwand hohe Einsparungspotenziale zu realisieren.“ Mehr als 200 KMU haben sich im „Automation Valley Nordbayern“ im EFRE Zielgebiet zusammengeschlossen, durch die IHK aus Ober-, Mittel- und Unterfranken organisiert.