Das Silicon Valley war schon früh ein Epizentrum der Innovation und des Fortschritts. Als 1939 die Freunde William Redington Hewlett und David Packard mit elektronischen Testgeräten in einer Garage im Palo Alto starteten, legten sie den Grundstein für eine Erfolgsgeschichte einer ganzen Region. Das berühmte Tal rund um Palo Alto und der weltbekannten Stanford Universität gilt seit Jahrzehnten als IT und Software Hochburg der Welt. Firmen wie Cisco, Oracle, Yahoo, Apple und Google sind hier gegründet worden und zu globalen Großunternehmen geworden. Der Einfluss dieser Firmen wird in Zukunft durch eine neue, eine digitale Revolution weiter zunehmen. Softwareprogramme und IT-Lösungen finden immer mehr Einhalt in unterschiedlichste Bestandteile unseres täglichen Lebens und unserer Arbeitswelt.

 

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Treiber der digitalen Revolution ist das „Internet of Things“, ein Ökosystem von intelligenten Geräten (Things), die mit der Umgebung, Nutzern und sich selbst interagieren, Daten sammeln und mit diesen einen Mehrwert schaffen. Gartner sagt voraus, dass von aktuell 6 Milliarden Geräten bis 2020 über 25 Milliarden „Dinge“ weltweit miteinander verbunden werden. Ein Beispiel ist die Firma Nest, die intelligente Thermostate vertreibt, welche die Raumtemperatur auch bestimmen, wenn man mal nicht Zuhause ist, umso Energie zu sparen. Steuern kann man das Gerät mit dem eigenen Smartphone. Auch die Fitnessarmbänder von Fitbit sammeln Daten über die persönliche Aktivität und zusammen mit einer vernetzen Waage werden Vorschläge gemacht, um das persönliche Idealgewicht zu erreichen. Nest wurde vor einigen Jahren für 3,2 Milliarden von Google gekauft und Fitbit wird aktuell mit über 8 Milliarden Dollar bewertet. Viel Geld für Firmen, welche erst am Anfang Ihrer Entwicklung stehen. In fast allen Bereichen des „Internet of Things“ wird viel Geld investiert und neue Firmen werden fast täglich gegründet. Treibstoff des Wachstums ist die Erfassung der Daten und die schnelle Auswertung derselben. Was vor Jahren noch Tage dauerte geschieht heutzutage in Sekunden.

Deutsche Firmen nehmen an diese Entwicklung kaum teil. Die deutschen Autobauer sind an der Westküste präsent und entwickeln im Silicon Valley das vernetzte Auto und einige Firmen haben die Bereiche IT-Security und Big Data für sich entdeckt. Die klassische deutsche Industrie sieht man allerdings an der Westküste der USA noch selten. Der deutsche Mittelstand mit seine Maschinen- und Anlagenfirmen hat die Entwicklung bis dato nur marginal berührt, da die Lösungen im Silicon Valley oftmals nur dem Konsumgütermarkt betrafen. Dies könnte sich jedoch rasant ändern.

Bis jetzt liegt der Fokus der Entwicklungen auf den Bereichen Telekommunikation, Werbung, Entertainment und Gesundheit. Verantwortlich für 2/3 des globalen Bruttosozialproduktes sind jedoch die Sektoren verarbeitende Industrie, Energie, Agrarwirtschaft, Transport und andere industrielle Bereiche. Diese Bereiche wurden von der digitalen Entwicklung aktuell eher vernachlässigt. Alleine der größte Markt Rund um die Industrieproduktion stellt mit 11 Billionen US Dollar das größte Kuchenstück dar.  Daher wird das „Industrial Internet of Things“ wohl der neue Megatrend der nächsten Jahre.

In Deutschland hat man die Relevanz des Themas schon früh erkannt und eine Vielzahl von Initiativen unter dem Begriff Industrie 4.0 zusammengefasst.

Die industrielle Produktion stellt das Rückgrat der deutschen Wirtschaft dar und wird durch diese neue Entwicklung einen Paradigmenwechsel durchlaufen. Daran, dass diese neue industrielle Revolution eintreten wird zweifelt kaum einer, auch nicht, dass die Bedeutung der Softwarekomponente zunehmen wird und genau hier wird das Silicon Valley eine entscheidende Rolle spielen. Während Deutschland seine Stärken in der Produktion und im Engineering hat, liegt die Stärken des Silicon Valleys in der Software und der IT.

General Electric (GE) hat die Zeichen der Zeit schon früh erkannt. Als einer der größten Unternehmen in den USA verkauft die Firma Ausrüstung und Maschinen an die Industrie in Milliardenhöhe. Das lukrativste Geschäft ist jedoch die Wartung dieses Equipments und genau dieser Bereich wird von Softwarefirmen bedroht. Maschinen erfassen durch Ihre Sensoren schon heutzutage enorme Informationsmengen, welche jedoch kaum genutzt werden. Sie können allerdings wichtige Hinweise liefen, um zum Beispiel teure Reparaturen vorzubeugen. Schon 2012 ergriff GE CEO Jeffrey Immel daher umfangreiche Maßnahmen und startete eine Kampagne zum Thema Industrial Internet. Man eröffnete ein Forschungslabor im Silicon Valley mit aktuell über 1.400 Mitarbeitern, darunter hauptsächlich Softwareingenieure. GE soll immer mehr zu einem Softwareunternehmen umgewandelt werden und der Standort im Silicon Valley dabei eine entscheidende Rolle spielen. Aktuell wirbt GE mit dieser neuen Unternehmensstrategie mit einer US-weiten Werbekampagne und sieht sich als „Digital Industrial Company”.

Aber wie sieht die Produktion der Zukunft aus und mit welchen Chancen und Risiken muss man rechnen?

Die Fabrik der Zukunft soll eine “Smart Factory“ sein, in der sich alle Produkte zu jedem Zeitpunkt nachverfolgen lassen. Dafür müssen komplexe Systeme und Maschinen mit Hilfe von Sensoren und Software vernetzt werden. Produkte könnten dann individueller produziert werden, die Produktvarianten nehmen zu und die Lagerhaltung kann reduziert werden.

Die Visionäre an der Westküste der USA gehen noch einen Schritt weiter und träumen von einer Welt, in der die klassische Fertigung kaum noch eine Bedeutung hat. Maschinen werden „intelligent“ und können ständig neue Funktionen und Tätigkeiten lernen und durchführen. Warum in eine Fabrik investieren, wenn diese nur zu 80 % ausgelastet ist und ungenutztes Kapital bindet? Apple betreibt schon heutzutage keine eigenen Fabriken mehr und investiert lieber in neue Geschäftsfelder oder stellt zusätzliche Ingenieure ein, um noch bessere Produkte zu entwickeln. Wer diese baut, spielt letztendlich keine große Rolle. Die „Smart Factory“ kann einen Audi und danach direkt einen Tesla produzieren. Die Fabrik ist durchgängig vertikal und horizontal vernetzt und die ganze Lieferkette kommuniziert automatisch mit einander und der Audi Rückspiegel liegt zum richtigen Zeitpunkt neben dem Tesla Spiegel.

Zugriff auf solche Fabriken hätten in Zukunft nicht nur eine Firma, sondern die gesamte Volkswirtschaft – auch Privatpersonen. Diese könnten dann Produkte an ihrem heimischen PC entwickeln und in der Fabrik der Zukunft produzieren. Prototypen entstehen natürlich kostensparend am 3D-Drucker. Die Produktion wird zu einer Dienstleitung.

Bis ein solches Szenario eintritt, wird es noch einige Jahre dauern – wenn es überhaupt jemals umgesetzt wird. Das sich jedoch die industrielle Automation und deren Prozesse stark ändern werden ist klar und eine Glaskugel ist nicht von Nöten, um die neue Rolle des Silicon Valley zu erkennen.

Das Unternehmen Sight Machine Inc. aus San Francisco versucht als einer der ersten Start-ups in dem neuen Markt Fuß zu fassen. CEO Jon Sobel und sein Team sammeln und analysieren die schon vorhandenen Daten einer Fabrik und stellen diese nutzbar dar. Für eine US-Automobilzulieferer fand und beseitigte das Start-up die fünffache Anzahl an Mängeln, welche die Firma selbst vermutet hatte. Das Unternehmen hat vor Kurzem eine neue Finanzierungsrunde von 13,5 Millionen US-Dollar abgeschlossen (Serie B) u. a. von Jumper Capital und GE Ventures.

Auch die Start-ups Helium und Relay wollen vom Kuchen einen Teil abbekommen. Helium stellt high-end Sensoren her, welche u. a. in Krankenhäusern und in der Lebensmittelindustrie eingesetzt werden. Relay unterstützt Unternehmen bei der Entwicklung von Internet of Things Lösungen und arbeitet u. a. mit Cisco und Bosch zusammen. Beide Firmen haben schon Investitionen von Venture Kapitalisten erhalten – Helium 18 Million und Relay 13 Million US Dollar.

In Zukunft wird mehr Venture Kapital in den Industrial Internet Bereich fließen. Mehr Geld wird es Start-ups ermöglichen neue Idee umzusetzen, und Firmen in diesem Bereich zu gründen. In ein paar Jahren wird man dann sehen, ob das nächste „Unicorn“ – ein Start-up mit einer Evaluierung von mindestens 1 Milliarde US Dollar – aus dem Bereich der Industrie 4.0 kommt.

Aus jeder „Revolution“ gehen Gewinner und Verlierer hervor. Für den deutschen Mittelstand wäre es wünschenswert die Chance von Industrie 4.0 zu erkennen und das Silicon Valley nicht zu unterschätzen. US Start-ups suchen immer nach Pilotprojekten, um Ihre Produkte frühzeitig zu testen. Warum sollte eine neue Technologie nicht zuerst bei einem Hidden Champion in Deutschland eingesetzt werden, welcher dadurch seinen Wettbewerbsvorteil bewahrt und im besten Falle sogar ausbaut?

Separater Infoblock:

Industrial Internet Consortium

Die deutsche Plattform Industrie 4.0 kooperiert seit März 2016 mit in den USA im Jahre 2014 gegründeten „Industrial Internet Consortium“ (IIC), bei dem hauptsächlich kalifornischen Unternehmen wie IBM und Intel aktiv sind. Insgesamt vertritt das IIC die Interessen von über 250 Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Universitäten, darunter Bosch, SAP und Siemens.

Webseite: http://www.iiconsortium.org

 Autor: Rene van den Hövel