Jetzt müssen „nur“ noch die Projekte laufen: Erfolgreicher Abschluss eines Dreivierteljahres-Projekt
Mit einer zweitägigen Konferenz endete das neunmonatige Innovationsforum Nachhaltige Energiesysteme in der Metropolregion Nürnberg. Drei Kompetenzinitiativen arbeiteten dabei eng zusammen und wollen das auch künftig beibehalten.Kompetenz-Cluster – das war einmal. Heute sind sektorübergreifende Innovationsprojekte gang und gäbe. Die Einordnung von Zukunftsideen in „Energie“, „Informationstechnik“ oder „Automatisierung“ reicht nicht mehr. Denn inzwischen ist klar: Alles hängt irgendwie mit allem zusammen.
„Klar, die Kompetenz-Cluster der Europäischen Metropolregion Nürnberg leisten tolle Arbeit. Aber im Innovationsforum machen wir etwas Besonderes: Wir leben das neue Leitbild WaBe, verweben auf dieser Konferenz drei Kompetenzfelder der EMN zu einem Aktionsfeld ‚Intelligente Energiesysteme‘“, beschreibt Nürnbergs Wirtschaftsreferent Dr. Michael Fraas die Idee.
Die drei darin verwobenen Kompetenzfelder sind Automation und Produktionstechnik (Automation Valley Nordbayern), Information und Kommunikation (Nürnberger Initiative für die Kommunikationswirtschaft NIK e.V.) sowie Energie und Umwelt. Letzteres hatte mit seiner Kompetenzinitiative ENERGIEregion Nürnberg e.V. ein halbes Jahr lang die Fäden in der Hand, koordinierte die Aktivitäten aller drei Initiativen sowie der IHK Nürnberg für Mittelfranken, die auch das Management des Automation Valley Nordbayern zusammen mit den nordbayerischen IHKs betreibt. Das Automation Valley Nordbayern ist die regionale Industrie 4.0 Initiative, in der ca. 300 Firmen und wissenschaftliche Einrichtungen organisiert sind. In der Branche arbeiten 40.000 Menschen in Nordbayern.
Auf die bestehenden Projekte aufbauen
Jede Menge Energie-Leuchtturmprojekte gibt es bereits in der Metropolregion. Die Liste reicht von der größten Solarthermieanlage in Bayern im Nahwärmenetz Hallerndorf über Smart Grid Solar, einer Echtzeit-Spielwiese für die Einbindung Erneuerbaren Stroms ins Ortsnetz in Arzberg, bis zum Wüstenhaus im Tiergarten Nürnberg im Passivhaus-Standard.
Doch dabei soll es nicht bleiben. Neun Monate lang hatten Firmen, Initiativen und Forschungseinrichtungen aus der Metropolregion Nürnberg und darüber hinaus Zeit, „weg vom Arbeiten in einem Themenfeld hin zur übergreifenden, interdisziplinären Kooperation, wo Innovation entsteht“ zu gelangen, erläutert Dr. Jens Hauch, das Geschäftsführende Vorstandsmitglied der ENERGIEregion. Es wurden Kernthemen und Akteure identifiziert; in mehreren Workshops konnten sich die Menschen kennenlernen. Und sie haben drei gemeinsame Themenfelder gefunden: Gebäude, Produktion, Netze. Dafür wurden jeweils zwischen drei und fünf Projektideen entwickelt. Am Ende sollten auf der zweitägigen Konferenz weitere „Leuchtturmprojekte nachhaltiger Energiesysteme angestoßen werden mit dem Ziel, Wertschöpfung und Beschäftigung für die Zukunft zu generieren“, so Jens Hauch. „Ausgebucht“, war schon Wochen vorher auf der Webseite http://www.innovationsforum-energie.de zu lesen.
Innovationsnetze im Mittelstand fördern
„Das Bundesministerium für Bildung und Forschung BMBF unterstützt Unternehmen in der Entwicklung von Geschäftsmodellen, die Innovationen nutzen und wirtschaftlich umsetzen“, erläutert Brigitte Pottkämper vom Projektträger Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt DLR den Sinn der „deutschlandweiten Initiative Innovationsforen Mittelstand“. Von 170 Ideen-Skizzen wurden bislang 50 umgesetzt und gefördert. „Branchenübergreifende Innovation ist mit hohen Anforderungen verbunden. Aber sie bietet hohes Potenzial“, davon ist auch Pottkämper überzeugt.
Trotz der in Firmen und Forschungseinrichtungen vorhandenen Innovation „werden die Potenziale oft nicht erkannt und nicht genutzt“. Durch das Innovationsforum zu nachhaltigen Energiesystemen aus Nürnberg sieht sie jedoch gute Chancen, dass „die Region ein unverwechselbares Profil in dieser spannenden und zukunftsträchtigen Thematik“ entwickelt. Auch wenn das „ein mühsamer Prozess“ werde, wie Pottkämper voraussagt.
Dass hierzu die IT-Branche jede Menge beitragen kann, bestätigt Dr. Robert Couronné, der NIK-Geschäftsführer. Auch wenn jeder zuerst an Datensicherheit denke: „Mehrere Themenfelder haben wir identifiziert, aus denen zwölf Projektideen entstanden. Zum Beispiel: Wie können viele dezentrale Windkraft- und Solaranlagen besser gesteuert werden? Die Chancen sind bislang noch nicht wirklich genutzt. Daraus sollen Geschäfte erwachsen.“
Nicht nur Ökoenergie ist zukunftsträchtig
Mit den zuvor gefundenen Projektideen beschäftigten sich die Teilnehmer mehrere Stunden lang in drei Foren. Dabei stand nicht nur die Energiegewinnung im Mittelpunkt. Zukunftsträchtig fanden viele beispielsweise das „Altenheim der Zukunft“. Das bekam viel Zuspruch, weil es neben guten Geschäften wegen der immer mehr alternden Gesellschaft auch großen Mehrwert für die Bewohner verspricht. Und so lautete das Urteil eines an der Projektbewertung beteiligten Juroren: „Für mich ist nicht die Frage >Wer kann sich das leisten?< sondern: >Wer kann es sich leisten, es nicht zu tun<“, also Energieeffizienz, Erneuerbare Energien und intelligente Haustechnik in Häusern zu verwenden, die mehrere Jahrzehnte betrieben werden sollen.
Während das Altenheim neben vier anderen Ideen unter „Intelligente Sektorenkopplung bei Immobilien“ diskutiert wurde, gab es im Forum „Datenbasiertes Energiemanagement in der Produktion“ deren vier. Hier hatte die Prozessoptimierung durch Online-Datenerfassung und Verarbeitung die meisten Fürsprecher. „Es wurde bereits überlegt, welcher Teilnehmer welche Teile übernehmen könnte“, hieß es hinterher. Im Forum, das sich mit vier Projekten zur Stabilisierung von Netzen beschäftigte, war man sich dagegen ziemlich einig: Vielfach müssen hier erst die gesetzlichen Regelungen geschaffen werden, um damit voranzukommen.
Kontroverse Diskussionen
Später prallten in einer Podiumsdiskussion um den „Aufbruch des Mittelstands in den Energiemarkt der Zukunft“ dann aber die Meinungen teils heftig aufeinander. Während der Energie-Anlagenbauer Mario Münch in einer „dezentralen Energiewelt ein Leben im Überfluss“ erwartet, weil „bei mir jetzt schon der Strom nur 0,5 Cent“ koste, fürchtet Rainer Kleedörfer vom Energiekonzern N-ERGIE um „die Bezahlbarkeit von Energie für die breite Masse“. Dr. Ronald Künneth von der IHK Nürnberg für Mittelfranken sieht „einen klaren Vorteil für die Unternehmen durch vorhandenen regionalen Netzwerke“. „Gewinner sind vor allem die Firmen, die die Chance ergreifen gemeinsam neue Produkte entwickeln. Dafür haben wir im Automation Valley Nordbayern einige Beispiele, weil die Firmen miteinander reden. Prof. Dr. Kai-Ingo Voigt von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg fürchtet: Wenn der Mittelstand nicht „den Mut hat, auf andere zuzugehen, zum Beispiel mit den Unis und Partnern zusammenzuarbeiten“, könnte es für Klein- und Mittelunternehmer schwer werden. Denn solche Kooperationen „haben im Mittelstand keine Historie“.
Insgesamt aber blicken fast alle Teilnehmer der Abschlussveranstaltung positiv in die sich verändernde Energiezukunft. In einer TED-Umfrage stellten sie digital, erneuerbar, integriert und effizient als Voraussetzungen für eine nachhaltige Energieversorgung fast auf eine Stufe.
Es geht weiter
Und: Es wird an allen gefundenen Projektideen weitergearbeitet, über Cluster- und Kompetenzfeldgrenzen hinweg. „Regionale Partner binden Vertrauen, die Leute und Initiativen vor Ort können die Wege weisen. Aber wir zielen auf die internationale Ebene ab“, fasste ENERGIEregion-Geschäftsführer Jens Hauch die gesteckten Ziele zusammen.
Das neun Monate dauernde Projekt wurde vom BMBF über das Programm „Innovationsforen Mittelstand“ gefördert: Es gewährte einen nicht rückzahlbaren Zuschuss. „Großzügig“ nennt das Wirtschaftsreferent Fraas, der auch 1. Vorsitzender der ENERGIEregion Nürnberg e.V. ist. Aber man arbeite ja auch „am Energiesystem der Zukunft“, nicht mehr, jedoch auch nicht weniger, relativiert er die Summe.
Auf dem Weg dahin will sich die EMN nicht abschotten, sondern „überregionale Partner gewinnen. Der Kontakt zur Außenwelt trägt Ideen nach draußen und macht uns dort noch bekannter.“ Die Vision von Dr. Jens Hauch: „Außerhalb der Region sollten Bratwürste und Energie als DIE Nürnberger Kompetenzen in einem Atemzug genannt werden.“
Das vorabendliche Networking-Event wurde unter anderem gesponsert vom Zentrum Digitalisierung.Bayern, der N-ERGIE Aktiengesellschaft und der wbg Immobilien GmbH