Evosoft

Nürnberger Software-Schmiede: Geschäftsführerin Dr. Marie-Catherine Fritsch und Oliver Pfitzer, Leiter des Bereichs „Digital Solutions & Integration“. Bildquelle: WIM 7/2022

Das Nürnberger IT-Unternehmen entwickelt Software-, IT- und Automatisierungslösungen, um die Produktionsabläufe seiner Kunden zu optimieren.

Lichter blinken, das Fließband läuft, ein Greifarm setzt blaue Deckel auf weiße Döschen. Bleiben alle Dosen auf dem Fließband? Sitzt der Deckel fest? Konzentriert verfolgen Simon Schoierer und Tiago Russolo, technische Berater bei der Evosoft GmbH, jede Bewegung an der Demo-Industrieanlage, die im Testlabor am Hauptsitz in Nürnberg aufgebaut ist. „Die Maschine hat 1 500 Datenpunkte. Man kann viele Anwendungsfälle an ihr testen und sogar erste Aspekte der Industrie 4.0“, erklärt Simon Schoierer. Die Laboranlage wird bei Evosoft genutzt, um typische Szenarien bzw. Anwendungsfälle durchzuspielen, wie sie sich bei Kunden im Betrieb zutragen können. Das Ziel dabei: Schwachstellen und Optimierungspotenziale in Produktionsabläufen erkennen und diese z. B. durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz und Machine Learning beheben bzw. verbessern. Am Ende soll der Kunde Effizienz und Qualität steigern können.

„Wir verstehen uns als Partner für IT- und Automatisierungslösungen, Software-Entwicklung und die Realisierung von Digitalisierungsprojekten“, sagt Geschäftsführerin Dr. Marie-Catherine Fritsch. „Unser Kerngeschäft ist es, Software zu entwickeln und diese immer weiter zu optimieren.“ Seit 1995 besteht das Unternehmen, für das rund 470 Beschäftigte an den Standorten Nürnberg, Amberg, Köln, Erlangen, Karlsruhe und München arbeiten. Rechnet man das Tochterunternehmen in Ungarn dazu, beschäftigt Evosoft insgesamt etwa 2 200 Menschen. Ihr Auftrag: industrielle Digitalisierungslösungen, angefangen von der Beratung über das Design und die Realisierung bis hin zu Inbetriebnahmen vor Ort, Durchführung von Trainings und Betriebsunterstützung. Der Fokus liegt auf der nahtlosen Integration der gesamten Wertschöpfungskette, angefangen bei Operativen Technologien über die Scada-Ebene (Überwachung und Steuerung technischer Prozesse) und MES-Systeme (Produktionsleitsysteme) bis zur IT-Ebene. In der Branche werden die wesentlichen Geschäftsfelder als „Product Development“, „ALM Services“, „IT Application & Platform Solutions“ und „Digital Solutions & Integration“ bezeichnet. Mit der Tätigkeit in diesen Bereichen hat Evosoft zuletzt einen Jahresumsatz von 165 Mio. Euro erzielt.

Nürnberger Siemens-Tochter

Evosoft ist eine hundertprozentige Siemens-Tochtergesellschaft. Viele Siemens-Produkte wie etwa eine Engineering-Plattform und ein Antriebsmodul wurden mit der Unterstützung des Nürnberger IT-Dienstleisters entwickelt. Allein in diesem Bereich arbeiten 1 300 Software-Ingenieure. Neben der Zusammenarbeit mit und für Siemens sowie der Kooperation mit verschiedenen Forschungseinrichtungen, wie der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) und weiteren Partnern, hat sich Evosoft auch auf kleine und mittlere Unternehmen, viele davon aus der Metropolregion Nürnberg, ausgerichtet.

„Es gibt viele IT-Systemhäuser in Deutschland, gerade in der Metropolregion Nürnberg. Was uns besonders macht, ist, dass wir die OT-Welt und IT-Welt zusammenbringen und verknüpfen. Wir verstehen beide Welten“, sagt Geschäftsführerin Fritsch. Mit OT, also Operativen Technologien, meint sie die Verwendung von Hardware und Software zur Kontrolle von industriellen Maschinen und Anlagen auf der Feldebene. Mit IT die Datenverarbeitungs- bzw. Datenmanagement-Systeme sowie die dazugehörige Infrastruktur. Indem Evosoft die OT-Welt mit der IT-Welt verbindet, können auf einer Industrieanlage individualisierte Produkte bis zu einer Losgröße 1 hergestellt werden. So unterstützen auch Technologien wie Künstliche Intelligenz dabei, Engpässe auf Anlagen zu identifizieren, und sie zeigen auf, welche Auftragsreihenfolgen und -taktungen in der Produktion am meisten Sinn ergeben.

Anhand von Simulationen demonstrieren die technischen Berater Schoierer und Russolo, wie sich in der Praxis gewisse Ereignisse zutragen könnten. Russolo wirft einen kritischen Blick auf den Monitor im Hintergrund der Laboranlage: Darauf ist die Simulation nochmals in Form eines digitalen Zwillings abgebildet. „In einem Fall ist bei der Simulation am digitalen Zwilling die ganze Zeit der Deckel heruntergefallen“, sagt er. In der realen Live-Demo sei der Fehler zunächst nicht offensichtlich gewesen, denn hier lag der Deckel auf der Dose auf, war aber nicht festgedrückt – bei Berührung wäre er abgefallen. „Der digitale Zwilling hilft dabei, schon vor der Realisierung einer Anlage Situationen durch Simulation frühzeitig zu erkennen und entsprechend anzupassen, bevor das erste Mal Geld für die Entstehung einer Maschine oder Anlage in die Hand genommen wird“, erklärt Russolo.

Weg der digitalen Transformation gehen

„Viele kleine und mittlere Unternehmen sind derzeit noch traditionell unterwegs. Wir möchten unsere Kunden an dieser Stelle abholen, verstehen und gemeinsam mit ihnen in überlegten Schritten den Weg der digitalen Transformation gehen“, sagt Oliver Pfitzer, Leiter des Bereichs „Digital Solutions & Integration“ bei Evosoft. Oft gehe es erst einmal nur darum, herauszufinden, wo wirklich die Notwendigkeit der Anpassung bzw. Veränderung liegt. Da ist etwa der Besitzer einer regionalen Kartonagenfabrik, der wiederkehrende Probleme mit seiner Anlange hat. Ein anderes Unternehmen möchte die Daten aller maschinellen Vorgänge bündeln, auswerten und sinnvoll verarbeiten, um Zusammenhänge der Anlage zu visualisieren oder zu optimieren.

„Ehe wir in eine Umsetzung gehen, gehen wir mit dem Kunden seine Probleme und Anwendungsszenarien durch, verstehen diese, auch mit der Domänen-Expertise des Kunden, und erarbeiten Handlungsempfehlungen und -optionen“, erläutert Pfitzer. Man identifiziere mögliche Probleme bei den Abläufen der Kunden und schlage intelligente Optimierungen vor. „Am Ende kann der Betrieb dank unserer Optimierung beispielsweise den Produktionsdurchsatz um ca. fünf bis 15 Prozent steigern“, sagt er. Nachdem erste Optimierungen vorgenommen seien, beschäftige man sich mit weiteren Methoden wie der Künstlichen Intelligenz, beschreibt Pfitzer die Entwicklung einer idealen Zusammenarbeit während eines Projekts.

Autor: (dr.)